Bürger stimmen über Fassade ab

Nachdem die Abbruch- und Sicherungsarbeiten am Haus Breite Straße 2 abgeschlossen wurden und auch die Aufbau- und Ausbauarbeiten des Ankerbaus an der Ecke Breite Straße/ B172 bereits weit fortgeschritten sind, soll demnächst die Fassadengestaltung erfolgen. Die malerischen Befunde jedoch sprechen eine andere Sprache als die historische Überlieferung auf dem berühmten Canalettobild um 1753. Die Stadt Pirna möchte beide Varianten öffentlich zur Diskussion stellen und die Bürgerinnen und Bürger befragen, welche Fassade die Breite Straße ihrer Meinung nach erhalten sollte. Bis zum 19. April können die Pirnaerinnen und Pirnaer der Verwaltung im Foyer des Rathauses ihre grundsätzliche Ansicht zu den zwei Wiederherstellungsalternativen, die sich fundamental voneinander unterscheiden, über einen Stimmzettel mitteilen.

Fassadenvariante 1: „Spätbarocke illusionistische Fassung um 1760“
Diese Möglichkeit der Fassadengestaltung orientiert sich an den nachgewiesenen Befunden am Gebäude selbst, die sich auf den Zeitraum um 1760 beziehen. Bei dieser spätbarocken Fassung erhält die Oberfläche ein Wechselspiel zwischen rosé und hellgrau. Die Form der illusionistischen Bemalung von Nutungen, Lisenen, Spiegel und Scheingesimsen spielt mit Licht- und Schattendarstellungen. Alle Details dieser Fassung können wieder hergestellt werden. Die ansprechende helle Gestaltung gibt dem Eckgebäude eine entsprechende Betonung als Eingang zu Stadt. Die Originalsubstanz dieser Möglichkeit der Fassadengestaltung ist im Außenbereich zu 65 Prozent noch erhalten. Diese Form der Gestaltung ist allerdings weniger bekannt. Sie weicht sehr vom bekannten Gemälde des Hofmalers Canaletto ab, der in den Jahren 1753 bis 1755 insgesamt elf große Ansichten von Pirna schuf.
Das Landesamt für Denkmalpflege argumentiert, dass dies die Fassung ist, die als einzige existentiell noch vorhanden, daher dokumentiert und sicher ist. Die zwischenzeitlich erfolgten Gebäudeveränderungen gehören zu dieser Fassung, „passen“ also dazu, sind allein damit wirklich vereinbar. Die Fassung ist sehr attraktiv, würde den Straßenraum an dieser städtebaulich eminenten wichtigen Stelle also erheblich aufwerten.

Fassadenvariante 2: Historische „Canalettofassung“ um 1753
Eine Möglichkeit der Fassadengestaltung ist es, auf die Farben zu Zeiten Canalettos zurückzugreifen. Um 1753 fand der einstige Hofmaler am Gebäude einen einheitlichen kräftigen und warmen Farbton in rot-ocker vor. Die Farbgestaltung komplettierte eine gebrochene weiße Gliederung an den Gewänden, Fenstern und an der Tordurchfahrt. An den Gebäudeecken fanden sich glatte Lisenen. Für diese Form der Gestaltung spricht, dass sich trotz zahlreicher Veränderungen, Substanzverlusten und Überformungen das Gebäude bis in die Gegenwart erhalten hat. Die Breite Straße 2 ist mittlerweile nahezu das letzte überkommene Gebäude dieser Canalettodarstellung und nimmt damit gewissermaßen eine Brückenfunktion zwischen dem spätbarocken und dem heutigen Zustand ein. Lage und Proportion der Fenster wurden jedoch verändert. Auch die Dachlandschaft und die Fassadengliederung wurden mittlerweile überformt. Historisch lässt sich kein Befund dieses Farbtones an der Fassade nachweisen.

Das Landesamt für Denkmalpflege argumentiert, dass mit der Umsetzung dieser Fassung das gewohnte, im Bewusstsein der Bevölkerung verankerte und mit der Darstellung auf dem Gemälde assoziierte Erscheinungsbild gewahrt bliebe bzw. weitergetragen werden würde. Die einzige sichere Fassung müsste ignoriert werden bzw. könnte weiter nur unter einer Überdeckung, d.h. lediglich substantiell erhalten werden. Zum Teil erhebliche Abweichungen zwischen dem neuen Zustand und der Darstellung auf dem Gemälde müssten weiter in Kauf genommen werden, können allerdings – so wie bislang schon – derart unauffällig gestaltet werden, dass sie das Bild nicht über Gebühr belasten.

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