Dezentrale Unterbringung – Stadtrat beriet über nächste Schritte

In der Sondersitzung zum Thema Asyl am 8. September beriet Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke gemeinsam mit dem Pirnaer Stadtrat die weiteren Schritte. OB Hanke: „Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht am Thema Asyl vorbeikommt. Der Zustrom an Menschen, die ihr Land aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen, hat unfassbar zugenommen. Wir reden heute nicht mehr über das „ob wir Flüchtlinge aufnehmen“, sondern über das „wie wir dieser europäischen Aufgabe menschlich gerecht werden“. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu urteilen, ob diese Flüchtlinge hier bleiben dürfen, oder ob ihnen das Bleiberecht verwehrt wird. Dies tun andere Behörden in einem sicher fairen, aber aus meiner Sicht noch viel zu langwierigen Verfahren. Unsere kommunale Aufgabe ist es, den Asylbewerbern während des Verfahrens eine menschenwürdige Bleibe zu bieten und sie im Falle einer Bestätigung ihres Antrages in unsere Gesellschaft zu integrieren. Diese Aufgabe, die wahrscheinlich die größte Herausforderung nach der politischen Wende ist, können wir als Verwaltung nicht allein bewältigen. Dazu braucht es ein gesamtgesellschaftliches Engagement – von jedem Einzelnen, an jedem Tag und sicherlich noch in mehreren Generationen. Bund und Land beginnen nun endlich mit Hochdruck daran zu arbeiten, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Aus meiner Sicht – eindeutig zu spät! Wir müssen als Kommune schneller sein und dürfen nicht ebenfalls ins Hintertreffen geraten. Wir müssen uns jetzt auf den Weg machen, unsere städtischen Aufgaben zu lösen, Integration der Bleibeberechtigten weiter zu denken und vor allem Ängste in unserer Gesellschaft und bei den Flüchtlingen abzubauen. Unser Ziel sollte für die nächste Zeit sein: Die Bewältigung des Asylstromes ohne Abstriche unserer guten sozialen Infrastruktur. Lassen Sie uns aus diesem Grund bereits heute damit anfangen, das Fundament für die kommenden Aufgaben zu legen.“

Insgesamt 286 Asylbewerber leben in Pirna
Gemeinsam mit dem Landkreis, der für die Unterbringung der Asylbewerber verantwortlich ist, kommt die Stadt Pirna auch 2015 ihrer Verpflichtung nach, die zugewiesenen Asylbewerber im Stadtgebiet unterzubringen. Aktuell leben insgesamt 286 Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge (Stand: August 2015) in Pirna. Unter ihnen befinden sich 30 Familien mit 76 Kindern. Allesamt sind dezentral in kleineren Wohneinheiten und Wohnungen in den Stadtteilen Sonnenstein, Innenstadt, Copitz, Pratzschwitz, Neundorf und Rottwerndorf untergebracht. Die in Pirna untergebrachten Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge kommen aus 22 Nationen. Darunter: Afghanistan, Ägypten, Algerien, Albanien, Angola, Armenien, Georgien, Indien, Irak, Iran, Jordanien, Kosovo, Libanon, Libyen, Marokko, Pakistan, Russland, Serbien, Somalia, Syrien, Tunesien, Türkei, Vietnam. Nachd er korrigierten Prognose des Bundesamtes für Migration sind in diesem Jahr für Pirna weitere 243 Aufnahmen vorgesehen. Unterbringungen in zentralen Einrichtungen oder Zeltlagern sind nicht geplant.
Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke: „Ich weiß, dass aufgrund der aktuellen Lage die Gerüchteküche brodelt. Aber weder die Roten Kasernen, noch das alte Krankenhaus, noch die Jugendherberge in Copitz oder die Herderhalle sind aus unserer Sicht als Asylbewerberheim vorgesehen. Die dezentrale Form ist aus meiner Sicht die einzig mögliche Variante, die für Asylbewerber und Nachbarn gleichermaßen verträglich ist. Um die dezentrale Form der Unterbringung so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, werden wir gemeinsam mit unserer städtischen Wohnungsgesellschaft Pirna (WGP) weitere Wohnungen an den Markt bringen. Bisher sind nur 1,2 Prozent des Wohnungsbestandes der WGP mit Asylbewerbern belegt. Für alle interessierten Mieter ist die Auswahl an freien Wohnungen nach wie vor sehr groß. Darüber hinaus setze ich meine Hoffnung auch in die Zusagen der Verantwortlichen, die Asylverfahren zu beschleunigen. Wir können die Aufgabe nur gemeinsam lösen!“

Pirnaer Forderungen formuliert
Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke formulierte in der Stadtratssitzung fünf „Pirnaer Forderungen“ an die zuständigen Institutionen und die Gesellschaft, die derzeit mit den Fraktionen des Stadtrates noch weiter konkretisiert werden sollen:

1. Ehrliche, transparente und frühzeitige Kommunikation
Die Informationen, die dem Landratsamt und der Stadtverwaltung zu diesem Thema vorliegen, kommunizieren wir frühzeitig. Diese Klarheit und diese Offenheit erwarte ich aber auch gleichermaßen von den übergeordneten Behörden.
2. Schnellere Abarbeitung von Asylverfahren
Wir schließen uns dem deutschen Städtetag an, der die Unterbringung in den Kommunen künftig nur von anerkannten Asylbewerbern empfiehlt. Die Zuweisung in die einzelnen Städte und Gemeinden soll erst nach Abschluss des Asylverfahrens durchgeführt werden. Das setzt aber voraus, dass bei der Geschwindigkeit der Asylverfahren noch einige Gänge nach oben geschaltet werden muss.

3. Konsequentere Umsetzung der Entscheidung
Nur wer konsequent getroffene Entscheidungen umsetzt, wird künftig auch ernstgenommen. Das bedeutet zum einen, dass die Integration der Asylberechtigten ehrlichen Herzens durchgeführt wird. Hierbei sind noch deutliche Verbesserungen bei Sprachförderung und Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt erkennbar, die unverzüglich umgesetzt werden müssen. Auch in der Bildungspolitik in den kommunalen Bereichen Kindertagesstätten und Schulen muss zwingend weitergedacht werden! Zum anderen bedeutet das aber auch die Durchsetzung der Abreise bei Ablehnungen von Asylanträgen. Dabei muss aber auch ganz deutlich gesagt werden, dass weder die Kommunen noch die Bürger die Entscheidung treffen, wer bleiben darf und wer nicht, sondern die zuständigen Behörden. Diese Arbeit muss, wie oben bereits angesprochen, schnell und zügig erfolgen, sonst fangen „besorgte Bürger“ an, diese Kategorisierung nach äußerem Anschein zu übernehmen.

4. Gemeinschaftliche Aufgabe aller Kommunen – Solidaritätsprinzip!
Die dezentrale Form ist die einzig mögliche Variante, die für Asylbewerber und Nachbarn gleichermaßen verträglich ist. Für diese menschenwürdige Form der Unterbringung müssen aber alle Kommunen an einem Strang ziehen. Gemeinsam mit dem Landkreis möchte ich die Verantwortlichen in den Städten unserer Region dazu auffordern, diese – in der Gesellschaft akzeptierte – Unterbringungsform zu bevorzugen und Wohnungen bereitzustellen. Es kann nicht sein, dass sich einzelne Kommunen durch dezentes „Abtauchen“ dieser Aufgabe entziehen.

5. Toleranz der Gesellschaft
Wenn wir Toleranz und Offenheit fördern wollen, müssen wir zwangsläufig Ängste und Unsicherheiten in unserer Gesellschaft abbauen. Dieser Aufgabe müssen wir uns allesamt stellen. In Europa, Bund und Land, in den Kommunen, Behörden und der Zivilgesellschaft. Jeden Tag aufs Neue. Nur gemeinsam können wir diese große Aufgabe lösen – ohne unsere Gesellschaft dabei zu überfordern.

Unterbringung ist Verpflichtung für Landkreis und Kommunen
Landkreis und Kommunen sind verpflichtet, Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimatländer verlassen und in der Bundesrepublik einen Asylantrag stellen, unterzubringen. Dies ist im „Gesetz zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen im Freistaat Sachsen“ festgeschrieben. Dort ist auch geregelt, dass die Gemeinden bei der Schaffung der Unterbringungseinrichtungen mitzuwirken und geeignete Unterbringungsobjekte zur Verfügung zu stellen haben. Ziel des Landkreises ist es dabei, die Last, die durch die Unterbringung der Asylbewerber entsteht, möglichst gerecht auf die Städte und Gemeinden zu verteilen.

Für Fragen, Anregungen und Hinweise ist im Landratsamt weiterhin ein Informationstelefon geschaltet. Unter der Telefonnummer 0151 11348894 oder der Email asyl@landratsamt-pirna.de steht den Anwohnern ein Mitarbeiter für weitere Auskünfte oder zur Aufnahme von Problemen zur Verfügung. Sämtliche Informationen stehen auf der Internetseite des Landkreises http://www.landratsamt-pirna.de/asyl.html zur Verfügung.

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